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Vor 235 Jahren: Der Mesmerismus vor Gericht und die „Hypnose“ in Gefahr

Franz Anton Mesmer (1734-1815) glaubte, eine neue physikalische Wirkungskraft entdeckt zu haben, den „animalischen Magnetismus“, der als Vorläufer der Hypnose gilt. Darunter verstand er ein „subtiles physikalisches Fluidum“, das das Universum erfüllt und „eine Verbindung zwischen dem Menschen, der Erde und den Himmelskörpern“ sowie einzelnen Menschen herstellt 1). Alle Krankheiten führte er auf eine Ursache zurück, nämlich das Ungleichgewicht des fluidums bzw. des Stockens des fluidums im Körper.  Dies glaubte Mesmer mit den sogenannten „passes“ (mesmerischen Bestreichungen) therapieren zu können. Ab 1778 praktizierte Mesmer aus Wien kommend mit grossem Erfolg in Paris. Innerhalb kurzer Zeit breitete sich der Mesmerismus in Frankreich bis hin in die französischen Kolonien aus. Auch in anderen europäischen Ländern gab es erste Anhänger Mesmers 2).

Marie Antoinette , Königin von Frankreich (oben rechts) bot Franz Anton Mesmer 1781 eine lebenslängliche Pension von 20 000 Livres und zusätzlich 10 000 Livres jährlich für die Einrichtung einer Klinik, um ihn in Frankreich zu halten 3). Mesmer lehnte ab.
Ihr Mann hingegen, König Ludwig XVI, setzte 1784 auf Drängen der Ärzteschaft, die Mesmers Methoden ablehnten und ihn um seine Erfolge beneideten,  gleich zwei Kommissionen ein, um ihm bzw. seinem Schüler Dr. Charles Deslon das „Handwerk zu  legen“. Die eine Kommission (s. oben links das Deckblatt ihres Abschlussberichts 4)) bestand aus berühmten Wissenschaftlern wie Lavoisier, Bailly, Guillotin und Benjamin Franklin (damals amerikanischer Botschafter in Paris), die andere aus prominenten Mitgliedern der Königlich-Medizinischen Gesellschaft 5).

Beide Kommissionen verwarfen den von Mesmer „entdeckten“ animalischen Magnetismus  als wissenschaftlich unhaltbares Konzept und führten die (nicht bestrittenen) Effekte des animalischen Magnetismus auf die „Imagination“ zurück. Daraufhin wurde vom Staatministerium die Praxis des animalischen Magnetismus verboten. 

Schließlich verlangte die Ärzteschaft vom König, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Es wurden zwei Kommissionen mit kompetenten Gutachtern eingesetzt, die den animalischen Magnetismus konsequent ablehnten. Daraufhin wurde die Praxis des Mesmerismus in Frankreich par ordre du roi verboten. Zum Glück für die sich später aus dem animalischen Magnetismus entwickelnde Hypnose bedeutete das aber nicht das Ende des Mesmerismus.
In der Zeit kurz vor der französischen Revolution 1789  waren es die auf Seite der Monarchie stehenden Ärzte, die den animalischen Magnetismus als Unsinn und Scharlatanerie abtaten.

Auf der anderen Seite gab es unter Mesmers Gefolgsleuten radikale Geister, die den Mesmerismus favorisierten. Darunter befand sich eine Reihe wichtiger zukünftiger Führer der französischen  Revolution wie der Marquis de Lafayette (s. Abb. oben, rechts neben Mesmer), Nicolas Bergasse 6), Jean-Louis Carra, Jacques-Pierre Brissot etc. , die nach dem Sturz der Monarchie dem Mesmerismus positiv gegenüber standen 3). Ab 1798 erhielt Mesmer vom französischen Staat jährlich eine Rente von 3000 Frs. 7).

Was wäre passiert, wenn die Revolution erfolglos gewesen wäre und die Monarchie weiterhin Bestand gehabt hätte? Wäre dann die in Frankreich entstandene Basis für die Entwicklung der modernen Hypnose zerstört worden und gäbe es sie damit heute nicht? Wir wissen es nicht.
Vermutlich haben aber die politischen Umstände vor und nach der Revolution und der damit verbundene Machtverlust der Monarchie der Hypnose eine Zukunft erleichtert, die dann 1843 publizistisch in England mit den Büchern von James Braid begann 8, 9) (s. auch Saal 6 unseres Museums.)

Zurück zum Gutachten. Im letzten Abschnitt des Gutachtens 4) erklären die Kommissäre die Effekte des animalischen Magnetismus, dem Vorläufer der Hypnose, mit der Macht der Imagination. Die letzten Worte des Gutachtens lauten denn auch mit Bezug auf den animalischen Magnetismus „le pouvoir de l’imagination“, p15 4). Damit haben die Mitglieder der Kommission dann doch das letzte Wort gehabt und Recht behalten.


1) Ellenberger HF (1973). Die Entdeckung des Unbewussten. Bern: Hans Huber, p 102 
2) Estrait du Journal d’une Cure Magnétique (1787). Traduit de l’allemand. Rastatt: J.W.Dorner. 
3) Darnton R (1983) Der Mesmerismus und das Ende der Aufklärung in Frankreich. München: Carl Hanser, p 54
4) Rapport des Commissaires chargés par le Roi de l’Examen du Magnetismé Animal   (1784).  Paris: L’Imprimerie Royale
5) Rapport des Commissaires de la Société Royale de Médicine, nommés par le Roi pour faire l’Examen du Magnétisme Animal (1784). Paris: L’Imprimerie Royale.
6) Bergasse N (1785). Obervations de M. Bergasse sur un écrit du Dr.Mesmer, ayant pour titre: Lettre de l’Inventeur du Magnétisme Animal à l’auteur des Réflexions Préliminaires. London.
7) Kerner J (1856). Franz Anton Mesmer aus Schwaben, Entdecker des thierischen Magnetismus. Erinnerungen an denselben, nebst Nachrichten aus den letzten Jahren seines Lebens zu  Meersburg am Bodensee. Frankfurt am Main, Literarische Anstalt
8) Braid, J. (1843). Neurypnology; or the rationale of nervous sleep, considered in relation with animal magnetism. Illustrated by numerous cases of its successful applications in the relief and cure of disease. London: John Churchill.
9) Braid, J. (1853). Hypnotic therapeutics, illustrated by cases. With an appendix on tablemoving and spirit-rapping. Reprinted from The Monthly Journal of Medical Science, July 1853.

 

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